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Schadenersatz bei Flugüberbuchung

Zwei Konsumenten, denen wegen Überbuchung die Beförderung mit der beklagten easyJet Airline Company Limited verweigert wurde, bekamen eine Ausgleichszahlung iHv je EUR 250,--. Einer der Konsumenten machte darüber hinaus einen Schadenersatzanspruch iHv 845,46 EUR für nicht refundierte Hotel- und Mietwagenkosten geltend. Der OGH rechnete bei ihm die 250,-- an, sodass ihm 595,46 EUR zugesprochen wurden.

Zwei Konsumenten wurde wegen Überbuchung die Beförderung mit der beklagten Fluglinie verweigert. Sie bekamen je die Flugscheinkosten erstattet und erhielten 250 EUR als Ausgleichszahlung nach der EU-FluggastVO. Eingeklagt wurden 845,46 EUR für nicht refundierte Hotel- und Mietwagenkosten. Der VKI unterstützte die Klage im Auftrag des Sozialministeriums.

Die Ausgleichszahlung nach Art 7 kann gem Art 12 Abs 1 S 2 EU-FluggastVO auf einen weitergehenden Schadenersatzanspruch angerechnet werden. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass eine Anrechnung rein nach nationalem Recht zu beurteilen ist. Das Unionsrecht schließt nach Ansicht des EuGH eine Anrechnung der Ausgleichszahlung auf Ersatzansprüche weder für materielle noch für immaterielle Schäden aus.

Es sind hier die Grundsätze des österreichischen Rechts für die Vorteilsanrechnung zu prüfen. Für eine Anrechnung muss der anzurechnende Vorteil ebenso wie der entsprechend zu kürzende Schadenersatzanspruch äquivalent-kausal und nach dem Grundsatz der Korrespondenz oder Kongruenz von Vor- und Nachteilen sachlich und zeitlich kongruent sein.

Konkret für die Ausgleichszahlungen nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO und weitergehende Schadenersatzansprüche iSd Art 12 EU-FluggastVO ist in der Lehre der Umfang und die Wechselseitigkeit der Anrechnungsmöglichkeiten umstritten. Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass die Ausgleichszahlungen nur oder primär dem Ersatz der Unannehmlichkeiten durch die Nichtbeförderung, also dem Ersatz (überwiegend) immaterieller Schäden dienen, und lehnt daher die Anrechnung auf Schadenersatzansprüche wegen materieller Schäden ab.

Der inzwischen wohl herrschende Teil der Lehre ist hingegen der Ansicht, dass die Ausgleichszahlungen sowohl auf materielle als auch immaterielle Schadenersatzansprüche anzurechnen sind, wenn diese aus demselben Haftungsgrund, also etwa einer Nichtbeförderung resultieren. Begründet wird dies damit, dass die Anrechnungsmöglichkeit in Art 12 Abs 1 S 2 EU-FluggastVO auf deutsche Initiative Eingang in den Verordnungstext gefunden habe, um dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken Rechnung zu tragen, dem auch eine Vermeidung einer Überkompensation des Geschädigten innewohne (vgl auch BGH X ZR 165/18 Rz 10 und X ZR 128/18). Die Kongruenz sei sowohl für Ansprüche aus materiellen als auch immateriellen Nachteilen gegeben, weil die EU-FluggastVO insoweit nicht unterscheide. Die Ausgleichszahlung wird in diesem Zusammenhang treffend als sui-generis-Anspruch bezeichnet, der gleichermaßen auf immaterielle wie materielle Schäden abziele, unabhängig davon, wo man einen Schwerpunkt sehe.

Dieses Verständnis hat auch der Unionsgesetzgeber durch die Pauschalreise-RL 2015/2302/EU bestätigt. ErwGr 36 und Art 14 Abs 5 Pauschalreise-RL sehen ebenso wie die österreichische Umsetzung im nationalen Recht in § 12 Abs 5 PRG ausdrücklich vor, dass Ausgleichszahlungen nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO auf vertragliche Ersatzansprüche gegen den Reiseveranstalter wechselseitig anzurechnen sind, um eine Überkompensation zu vermeiden. Auch dass die Ausgleichszahlung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen geleistet werde, hindert eine Anrechnung auf Schadenersatzansprüche gegen den Vertragspartner des Fluggastes nicht, weil das ausführende Luftfahrtunternehmen gemäß Art 3 Abs 5 S 2 für den Vertragspartner handle (vgl auch zu § 31e KSchG 6 Ob 146/18s).

Eine Vorteilsausgleichung hat im österreichischen Recht jedoch nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs- und Beweislast trifft. Laut festgestelltem Sachverhalt wurden die frustrierten Hotel- und Mietwagenkosten von nur einem der beiden Verbraucher getragen. Dieser Verbraucher hat eine Ausgleichszahlung von 250 EUR erhalten, die auf seinen Schadenersatzanspruch angerechnet werden kann. Dass die beiden Verbraucher auf einer gemeinsamen Urlaubsreise waren, machte die frustrierten Kosten nicht zu gemeinsamen Kosten, weil es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Rückerstattung, Kostenbeteiligung oder ein gemeinsames Urlaubsbudget gibt. Eine Anrechnung dieser Ausgleichszahlung auf die Schäden des anderen Reiseteilnehmers scheidet daher mangels Kongruenz aus.

OGH 16.12.2021, 4 Ob 177/21i

Klagsvertreter: Mag. Matthias Strohmayer, LL.M, Rechtsanwalt in Wien

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